Die Tsunge der Quellen
Der Adler zeigte ihr, welche Abzweigung sie jeweils nehmen sollte. Aus allen Richtungen schienen Bäche zu kommen und die Hochebene in ein grünes Paradies werden zu lassen. Es gab aber immer weniger Wege und ohne ihren Adler hätte die Königstochter schon wieder keine Orientierung gehabt. So gelangte sie aber zu den Quellen, die die Bäche und damit den Fluß speisten.
Manche Quellen sahen unscheinbar, klein und still aus, während aus anderen das Wasser wild und sprudelnd schoß. Gemeinsam teilten sie aber eine ähnliche Geschichte. Die Königstochter lauschte, wie die Tsungen der Quellen von den Anfängen erzählten.
Tief im Innern der Berge in mineralreichen Erdschichten ruhte viele Tausend Jahre lang das Wasser, während an der Oberfläche alles graues Ödland war, wüst und leer. Kein Mensch konnte sagen, wann das Wasser einen kleinen Durchbruch im Gestein schaffte und anfing, herauszutropfen, als Rinnsaal zu fließen oder gar in einem sprudelnden Strahl sich zu ergießen. Quellen entstanden.
Die meisten sammelten erst das Wasser in einem kleinen Quellteich, andere führten ihr Nass direkt in einen Bach. Es gab weit und breit kein erfrischenderes und saubereres Wasser und kleine und große Tiere sammelten sich gerne am Teich, um zu trinken. Selbst magische Wesen wie Feen und Kobolde sollen von Quellen angezogen worden sein.
Ganz selten war das Wasser in Quellen auch ungeniessbar oder giftig. Wer weiß, welches Schicksal es unter dem Berge erfahren hatte. Und manchmal fand das Wasser den Weg auch nicht zu einem Bach. So entstanden Moore und Sümpfe, die von schaurigen Wesen wie zum Beispiel schillernden Libellen bewohnt waren. Die Königstochter schauderte bei der Erinnerung.
Meist aber floß das Wasser aus dem Teich in die Bäche ab, die die lebensspendende Feuchtigkeit im Lande verteilten und damit dafür sorgten, dass alles grünen, wachsen und gedeihen konnte.
Während die Königstochter dem Wasser lauschte, trat eine dunkle Gestalt an die Quelle, setzte sich und lauschte ebenfalls den Quellen.